
Per Auktion zur Agenturauswahl – schon aus Prinzip
Von Matthias Heft, Geschäftsführer RTS Rieger Team
Zugegeben, es klingt ein wenig ketzerisch, aber könnte es eigentlich sein, dass sich in Zukunft keine namhaften Agenturen mehr finden lassen, die für große Unternehmen arbeiten möchten? Zunächst ein irrer Gedanke, sind es doch die vermeintlichen Blue Chips, um deren Etats die Agenturen mit großem Aufwand ringen. Und trotzdem sind es immer häufiger eben jene Großunternehmen, die mit zweifelhaften Auswahlprozessen bei Agenturen immer öfter diese eine Reaktion hervorrufen: „Dann halt nicht“.
Wenn Unternehmen die Pitch-Spielregeln nicht beherrschen
Jüngstes Beispiel ist die Anfrage einer Tochter eines großen Stuttgarter Technologiekonzerns bei einer B-to-B-Agentur. Die skurrile Situation entwickelte sich folgendermaßen: In einem Chemistry Meeting sollte die Agentur relevante Beispiel-Cases aus dem Umfeld des Kunden präsentieren. So weit, so fair.
Als die Agenturmitarbeiter nach etwa einer Stunde Agenturvorstellung in freudiger Erwartung eines Briefings, einer Aufgabenstellung oder auch nur einer weiteren Skizzierung des Prozesses begannen, ihrerseits Fragen zu stellen, hielten sich die Kundenvertreter bedeckt. Auf die konkrete Nachfrage „Wie geht es denn jetzt im Detail weiter mit Ihrer Agenturauswahl?“ gab es nur als Antwort: „Wir erstellen auf Basis der Meetings eine Shortlist von Agenturen, die das Briefing erhalten. Am Ende des Pitches entscheidet aber der Preis. Und zwar über eine Auktion.“
Noch erstaunlicher die Antwort auf den Einwurf, dass es für eine sinnvolle Auktion aber zwei mehr oder weniger gleichwertige Konzepte brauche bzw., wie verfahren werde, wenn nach der Präsentation ein ganz klarer Favorit erkennbar: „Dann würden wir den Pitch wiederholen.“
Qualität zum Nulltarif gibt es nicht
Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist für eine seriöse Agentur klar, dass sie sich an diesem Auswahlverfahren nicht weiter beteiligen wird. Allein die groteske Vorstellung, eine Agentur würde aufgrund der offensichtlichen Überlegenheit ihrer strategischen oder kreativen Überlegenheit eben NICHT zum Zuge kommen, zeigt die Unsinnigkeit dieses Ansatzes. Das ist ungefähr so, als würde man zu Daniel Libeskind sagen: „Sorry, wir konnten keinen vergleichbar guten Entwurf zu Ihrem Architekturkonzept finden, daher sind Sie leider raus. Sie sind einfach zu wenig durchschnittlich.“
Das klingt nach verletztem Werberstolz, doch der viel größere Anteil ist ehrliche Wut darüber, dass große Unternehmen wirtschaftlichen Unfug betreiben, in der irrigen Annahme, man würde dem Unternehmen oder gar der Marke damit einen Gefallen tun. Das Gegenteil ist der Fall. Wenn Kommunikationsdienstleistungen auf diese Art über den Ramschtisch verhökert werden, bleibt die Qualität auf Dauer zwangsläufig auf der Strecke. Heißt die schlichte Devise bei Auktionen „Je günstiger, desto besser“, dann werden kreative Ideen und spritzige Konzepte von professionellen Agenturteams als Vorlage und Blaupause übernommen, um sie dann an kostengünstige, weniger schöpferische Umsetzer zu vergeben. Die Folge wäre, dass Bundesliga-Marken immer häufiger von Kreisklasse-Agenturen betreut werden, sollte dieses Beispiel Schule machen
Auch für Einkaufsprofis eine schwierige Situation
Selbst anerkannte Einkaufsprofis wie die Berater von Höveler Holzmann raten für strategische Aufgabe von Auktionen ab: „Die Befürchtung hingegen, die Teilnahme an E-Auktionen könne strategische Lieferantenbeziehungen schädigen, ist zu vernachlässigen, denn sie werden selten über E-Auktionen abgewickelt. Materialien und Dienstleistungen, die Gegenstand strategischer Partnerschaften sind, bedürfen nach wie vor der persönlichen und kreativen Zusammenarbeit der Geschäftspartner, um eine Win-win-Situation für beide Parteien zu erreichen.“ (www.hoeveler-holzmann.com)
Ist das hier geschilderte Prozedere ein Einzelfall? Leider Nein. Aus dem gleichen Konzern kam wenige Wochen vorher eine Anfrage eines anderen Tochterunternehmens. „Wir sind ja eigentlich ein Start Up, also eigentlich haben wir ja praktisch kein richtiges Budget, obwohl wir zu XYZ gehören“. Die Agentur sagte ebenfalls ab.
Könnte es sein, dass manch große Auftraggeber immer noch im Glauben leben, die besten Agenturen würden sich ein Bein dafür ausreißen, OHNE vertraglich zugesicherte Pauschale dem Kunden Branchenexklusivität, feste Teams, Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit und höchste Branchenexpertise zu bieten?
Manchmal ist es einfach besser, sich frühzeitig aus einem Pitch zu verabschieden, wenn sich Preis-Dumpings oder reine Auktionen abzeichnen. Selbstbewusste Agenturen sagen daher auch bei großen Namen immer häufiger NEIN. Und arbeiten stattdessen lieber für die Kunden, bei denen nicht weltfremde Einkäufer das Sagen haben, sondern Macher, die ihre Sache und ihre Marke voranbringen wollen.