Editor’s Blog
Pitches und Ausschreibungen gehören in der Kommunikationsbranche einfach dazu. Doch Wunsch und Wirklichkeit bei Werbungtreibenden und Agenturen passen oft nicht zusammen. Chefredakteur Dr. Ben M. Irle und unsere Gastautoren analysieren Trends bei Pitches und kommentieren die Entwicklungen bei der Agenturauswahl.
Per Auktion zur Agenturauswahl – schon aus Prinzip
Von Matthias Heft, Geschäftsführer RTS Rieger Team
Zugegeben, es klingt ein wenig ketzerisch, aber könnte es eigentlich sein, dass sich in Zukunft keine namhaften Agenturen mehr finden lassen, die für große Unternehmen arbeiten möchten? Zunächst ein irrer Gedanke, sind es doch die vermeintlichen Blue Chips, um deren Etats die Agenturen mit großem Aufwand ringen. Und trotzdem sind es immer häufiger eben jene Großunternehmen, die mit zweifelhaften Auswahlprozessen bei Agenturen immer öfter diese eine Reaktion hervorrufen: „Dann halt nicht“.
Wenn Unternehmen die Pitch-Spielregeln nicht beherrschen
Jüngstes Beispiel ist die Anfrage einer Tochter eines großen Stuttgarter Technologiekonzerns bei einer B-to-B-Agentur. Die skurrile Situation entwickelte sich folgendermaßen: In einem Chemistry Meeting sollte die Agentur relevante Beispiel-Cases aus dem Umfeld des Kunden präsentieren. So weit, so fair.
Als die Agenturmitarbeiter nach etwa einer Stunde Agenturvorstellung in freudiger Erwartung eines Briefings, einer Aufgabenstellung oder auch nur einer weiteren Skizzierung des Prozesses begannen, ihrerseits Fragen zu stellen, hielten sich die Kundenvertreter bedeckt. Auf die konkrete Nachfrage „Wie geht es denn jetzt im Detail weiter mit Ihrer Agenturauswahl?“ gab es nur als Antwort: „Wir erstellen auf Basis der Meetings eine Shortlist von Agenturen, die das Briefing erhalten. Am Ende des Pitches entscheidet aber der Preis. Und zwar über eine Auktion.“
Noch erstaunlicher die Antwort auf den Einwurf, dass es für eine sinnvolle Auktion aber zwei mehr oder weniger gleichwertige Konzepte brauche bzw., wie verfahren werde, wenn nach der Präsentation ein ganz klarer Favorit erkennbar: „Dann würden wir den Pitch wiederholen.“
Qualität zum Nulltarif gibt es nicht
Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist für eine seriöse Agentur klar, dass sie sich an diesem Auswahlverfahren nicht weiter beteiligen wird. Allein die groteske Vorstellung, eine Agentur würde aufgrund der offensichtlichen Überlegenheit ihrer strategischen oder kreativen Überlegenheit eben NICHT zum Zuge kommen, zeigt die Unsinnigkeit dieses Ansatzes. Das ist ungefähr so, als würde man zu Daniel Libeskind sagen: „Sorry, wir konnten keinen vergleichbar guten Entwurf zu Ihrem Architekturkonzept finden, daher sind Sie leider raus. Sie sind einfach zu wenig durchschnittlich.“
Das klingt nach verletztem Werberstolz, doch der viel größere Anteil ist ehrliche Wut darüber, dass große Unternehmen wirtschaftlichen Unfug betreiben, in der irrigen Annahme, man würde dem Unternehmen oder gar der Marke damit einen Gefallen tun. Das Gegenteil ist der Fall. Wenn Kommunikationsdienstleistungen auf diese Art über den Ramschtisch verhökert werden, bleibt die Qualität auf Dauer zwangsläufig auf der Strecke. Heißt die schlichte Devise bei Auktionen „Je günstiger, desto besser“, dann werden kreative Ideen und spritzige Konzepte von professionellen Agenturteams als Vorlage und Blaupause übernommen, um sie dann an kostengünstige, weniger schöpferische Umsetzer zu vergeben. Die Folge wäre, dass Bundesliga-Marken immer häufiger von Kreisklasse-Agenturen betreut werden, sollte dieses Beispiel Schule machen
Auch für Einkaufsprofis eine schwierige Situation
Selbst anerkannte Einkaufsprofis wie die Berater von Höveler Holzmann raten für strategische Aufgabe von Auktionen ab: „Die Befürchtung hingegen, die Teilnahme an E-Auktionen könne strategische Lieferantenbeziehungen schädigen, ist zu vernachlässigen, denn sie werden selten über E-Auktionen abgewickelt. Materialien und Dienstleistungen, die Gegenstand strategischer Partnerschaften sind, bedürfen nach wie vor der persönlichen und kreativen Zusammenarbeit der Geschäftspartner, um eine Win-win-Situation für beide Parteien zu erreichen.“ (www.hoeveler-holzmann.com)
Ist das hier geschilderte Prozedere ein Einzelfall? Leider Nein. Aus dem gleichen Konzern kam wenige Wochen vorher eine Anfrage eines anderen Tochterunternehmens. „Wir sind ja eigentlich ein Start Up, also eigentlich haben wir ja praktisch kein richtiges Budget, obwohl wir zu XYZ gehören“. Die Agentur sagte ebenfalls ab.
Könnte es sein, dass manch große Auftraggeber immer noch im Glauben leben, die besten Agenturen würden sich ein Bein dafür ausreißen, OHNE vertraglich zugesicherte Pauschale dem Kunden Branchenexklusivität, feste Teams, Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit und höchste Branchenexpertise zu bieten?
Manchmal ist es einfach besser, sich frühzeitig aus einem Pitch zu verabschieden, wenn sich Preis-Dumpings oder reine Auktionen abzeichnen. Selbstbewusste Agenturen sagen daher auch bei großen Namen immer häufiger NEIN. Und arbeiten stattdessen lieber für die Kunden, bei denen nicht weltfremde Einkäufer das Sagen haben, sondern Macher, die ihre Sache und ihre Marke voranbringen wollen.
Teilnahme verweigert
Warum Agenturen Pitches absagen
Von Christiane Schulz, CEO Weber Shandwick Deutschland
Bei Pitches zählt nicht nur der Auswahlprozess auf Kundenseite – auch auf Agenturseite findet ein intensives Auswahlverfahren statt. Bereits bei jeder Anfrage bzw. beim Erhalt der Briefing-Unterlagen fällen Agenturen die Entscheidung, ob sie überhaupt an diesem Pitch teilnehmen. Dahinter stehen klare Analyseprozesse auf Agenturseite, die vielen Unternehmen und Behörden bislang verborgen geblieben sind. Doch genau diese sollten Auftraggeber berücksichtigen, damit sich auch die für sie richtigen Agenturen an den Ausschreibungen beteiligen. Andernfalls finden sie nicht den besten Partner zur Lösung ihrer jeweiligen kommunikativen Herausforderung.
Pitch less – win more
Jede Agentur will und muss profitabel wachsen. Wachstum ist neben allen finanziellen Aspekten auch der Ausdruck dafür, dass die Agentur etwas richtigmacht und einen Mehrwert für ihre Kunden liefert. Es spiegelt zudem die Wertschätzung der Kunden wider und ist gleichzeitig ein Gradmesser für die Attraktivität bei der Suche nach den besten Talenten im Markt.
Der Fokus vieler Agenturen liegt auf dem organischen Wachstum mit ihren Bestandskunden. Im Vergleich zum Neukundengewinn ist dabei ein wesentlich geringeres Invest nötig. Die Beteiligung an Pitches ist immer mit einem erheblichen Aufwand von Ressourcen verbunden. Die Kosten je nach Pitch-Umfang liegen in der Regel zwischen 15.000 bis ca. 60.000 Euro und damit in einer Größenordnung, die nicht leichtfertig ausgegeben wird.
Für alle Agenturen sollte daher schon aus Gründen des Selbstschutzes das kaufmännische Prinzip gelten: Pitch less – win more. Dies ist jedoch nur möglich, wenn man dafür eine klare Agenturstrategie und einen sorgfältigen Prozess für die Pitch-Auswahl hat.
Pitch ist nicht gleich Pitch
Prinzipiell gilt es dabei, zwischen öffentlichen und nicht-öffentlichen Ausschreibungen – meist klassische Unternehmens-Pitches – zu unterscheiden. Da öffentliche Ausschreibungen sehr aufwendig sind, nehmen einige Agenturen gar nicht erst daran teil – andere Agenturen haben sich auf sie spezialisiert und halten sich von allen anderen Ausschreibungen fern.
Öffentliche Ausschreibungen sind oft ausgesprochen anspruchsvoll und höchst komplex. Sie erfordern die strikte Einhaltung strenger Formalien. Schon ein kleiner Formfehler – z. B. eine fehlende Unterschrift –führt zum Ausschluss und vernichtet jede Chance auf einen „Return on Invest“. Daher beteiligen sich hier überproportional viele Agenturen, die Mitarbeiter allein dafür vorhalten, sich um die Erfüllung der Formalien zu kümmern.
Anders ist die Situation bei nicht-öffentlichen Ausschreibungen. Hier sind die Schranken durch offenere Formalien geringer. Doch es kommt immer wieder vor, dass Unternehmen Angebote ausschließlich auf Basis eines schriftlichen Briefings einholen und keine wirkliche Chance für eine Auftragsklärung geben. Für jede qualitätsbewusste Agentur ist das ein No-Go – sie wird sich nicht beteiligen.
Der Grund ist leicht einzusehen: Die Entscheidungsfindung bei der Agenturauswahl rein auf Basis eines Angebotes, ohne Referenzen und ohne einen persönlichen Austausch kann nur durch einen großen Zufall zu einer guten Kunden-Agentur-Beziehung führen. Im Allgemeinen funktioniert das nicht.
Jede Agentur, die Wert auf langfristige Kundenbeziehungen legt, wird daher auch auf die Zeit für einen persönlichen Austausch bestehen. Es geht dabei ja nicht nur darum, inhaltliche Fragen zu klären, sondern auch um ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie der potenzielle Kunde und das Unternehmen „ticken“. Schriftliches Sammeln und Beantworten von Agenturanfragen – häufig aus Gründen der gewollten Chancengleichheit durchgeführt – stellen hier keine wirkliche Alternative zur persönlichen Fragenklärung dar. Häufig wirft das sogar nur noch mehr Fragen auf.
Typischer Bestandteil von „New Business-Checklisten“ vieler Agenturen ist daher die Prüfung, welche Form von persönlichen Kontakten es zu dem potenziellen Kunden und zu den Entscheidern gibt oder gegebenenfalls bereits in der Vergangenheit gab. Sie zu nutzen ist immer Aufgabe und Ziel der Agenturverantwortlichen.
Das Briefing als Ausgangspunkt
Was ausschreibende Unternehmen und Behörden immer wieder verwundert, Agenturen beurteilen, welche Qualität das Briefing hat. Ist es vollständig und schlüssig? Sind Aufgabenstellung, Ziele, Zielgruppe, notwendige Informationen, Timing, Budget und Ansprechpartner genannt? Auf Basis dieser Qualitätskriterien wird entschieden, ob man als Agentur überhaupt der richtige Partner für den potenziellen Kunden ist.
Daneben beantwortet das Briefing wichtige Fragen: Passt der Kunde zur strategischen Ausrichtung der Agentur? Existieren die richtigen Expertisen für die Lösung der Aufgabe im Haus? Sind die richtigen Ressourcen vorhanden? Werden diese Fragen negativ beantwortet, so erfolgt als logische Konsequenz die Pitch-Absage und die ausschreibende Stelle verliert so vielleicht die Chance auf den für sie optimalen Agenturpartner.
Die elementare Frage vor der Pitch-Beteiligung
Eine zentrale Frage gilt es für Agenturen immer zu beantworten: Wird sich der Etat profitabel führen lassen, werden die Agenturleistungen und deren Mehrwert entsprechend honoriert oder handelt sich um einen von Agenturen oft „Pricingpitch“ oder „Einkaufspitch“ genannten Pitch, bei dem es vor allem darum geht, günstige Leistungen zu erhalten?
Es ist eine Binsenweisheit, aber man kann sie nicht oft genug wiederholen. Hohe Qualität und umfassende Leistungen bekommt man nicht, ohne dafür einen adäquaten Preis zu zahlen. Auch für Agenturleistungen gilt das Paradigma, dass es die Kombination „Qualität, schnell & billig“ nicht gibt.
Wähle zwei!
In dem Zusammenhang ist es auch ein wichtiges Indiz, ob es ein Agenturhonorar gibt, mit dem man das geistige Eigentum an der Präsentation erwirbt oder zumindest Produktions- und Reisekosten abgedeckt werden können? Für viele Agenturen ist es zudem wichtig zu wissen, wie viele Agenturen insgesamt am Pitch teilnehmen. Damit bewerten sie ihre Gewinnwahrscheinlichkeit. Es ist eine Frage der Fairness und der Wertschätzung, diese Punkte offen zu.
Evaluation und Entscheidung
Auf Basis der Antworten zu diesen Fragen evaluieren Agenturen mit einem Ratingsystem, ob sie am Pitch teilnehmen. Mit Blick auf das Budget und die Gewinnwahrscheinlichkeit wird dann definiert, wie hoch der Invest in den Pitch ausfallen darf, der dem möglichen Return gegenübersteht.
Dies alles dient dazu, mit den vorhandenen Ressourcen sorgsam umzugehen. Denn die einmal in einen Pitch gesteckten Ressourcen stehen für anderes Business nicht mehr zur Verfügung. Diese kaufmännische Sorgfalt erwarten Kunden selbstverständlich von ihren Agenturen bei der täglichen Arbeit und sie ist auch die Basis für den Umgang mit Pitches. Das sollten Pitch-Verantwortliche bei Unternehmen und Behörden immer im Hinterkopf behalten, damit sie Ausschreibungen so gestalten, dass ihre idealen Kommunikationspartner und Wunschkandidaten auf Agenturseite auf jeden Fall daran teilnehmen können.
Agenturen, hört die Signale!
Diese acht Prüfpunkte zeigen, ob ein Pitch fair und transparent abläuft
Von Dr. Ben M. Irle, Chefredakteur Pitchblog
Die Wahrheit ist für die Beteiligten so einfach wie schmerzhaft: Agenturen, die sich bei Pitches über den Tisch ziehen lassen, sind häufig selbst schuld. Oder um es deutlich zu sagen, wer sich nicht gegen unfaire Ausschreibungen und unlautere Bedingungen wehrt, hat eine fundamentale Regel nicht verstanden: Die Verantwortung für die Kunden-Agentur-Beziehung auf Augenhöhe liegt auch und gerade in der Hand der Agenturen.
Ganz offensichtlich gibt es viel zu viele Ausschreibungen mit unklaren Briefings, überzogenen Ansprüchen und intransparenten Entscheidungsprozessen. Agenturen können das beim kritischen Lesen der Pitch-Unterlagen bereits erkennen und sich entsprechend selbstbewusst behaupten, wenn sie die Signale richtig deuten.
Jenseits aller Einzelfälle lässt sich eine Checkliste mit acht Merkmalen definieren, die einen Pitch zum „Foul Pitch“ machen und damit Anlass zur Vorsicht und Zurückhaltung geben:
1. Den an der Ausschreibung teilnehmenden Agenturen wird kein Pitchhonorar gezahlt – obwohl erhebliches kreatives Potenzial eingesetzt werden soll und vertiefende Anstrengungen von der Agentur erwartet werden. Das ist eine kostenintensive aber unbezahlte Leistungsschau, zu der die ausschreibenden Unternehmen bei ihrer eigenen Kundengewinnung selbst wohl nicht bereit wären.
2. Der Umfang der von der teilnehmenden Agentur im Rahmen ihres Angebots einzureichenden Unterlagen ist unverhältnismäßig groß oder kommt der von der Gewinneragentur zu erbringenden Leistung bereits sehr nahe. Auch das bürdet den Agenturen unverhältnismäßige Kosten auf, die nicht vergütet werden. Gleichzeitig wird erwartet, dass die erarbeiteten und eingereichten Ergebnisse auch bei ausbleibendem Zuschlag im Rahmen der Kampagnenumsetzung der Gewinneragentur genutzt werden dürfen.
3. Die Bewertungskriterien zur Feststellung der Gewinneragentur sind nicht nachvollziehbar, intransparent oder werden erst gar nicht (vollständig) offengelegt. Damit wird den Agenturen jede Möglichkeit der Risikobewertung genommen. Denn sie bleiben im Unklaren, ob objektive Kriterien überhaupt und gleichermaßen gegenüber allen Bewerbern zur Anwendung gelangen.
4. Der Zeitraum zwischen Übersendung bzw. Veröffentlichung der Ausschreibungsunterlagen und der Abgabefrist ist zu kurz. Das heißt, dass dieser Zeitraum in keinem angemessenen Verhältnis zu Qualität und Umfang der durch die Ausschreibung geforderten Angebotsunterlagen steht. Darunter leidet nicht nur die Qualität der Arbeit, sondern die Agenturteams werden völlig unnötig unverhältnismäßig hohem Druck ausgesetzt.
5. Das zur Verfügung stehende Budget wird nicht mitgeteilt. Dies eröffnet zwar kreative Potenziale, da monetäre Schranken bei der Ideenentwicklung entfallen. Für eine zielführende Konzeption ist die Angabe eines Budgets jedoch zwingend. Unrealistische Kreationen „nur für die Tonne zu entwickeln“ kann nicht sinnvoll sein.
6. Rückfragen an den Auftraggeber sind nicht möglich oder werden nur sehr knapp oder überhaupt nicht beantwortet. Konzepte zu entwickeln bedarf auch des Austauschs, vor allem bei Partnern, die noch nicht zusammenarbeiten und die sich bislang nicht kennen. Es funktioniert nicht, wenn Marketingverantwortliche glauben, sie könnten die Agentur „mal machen lassen“, um zu sehen, was dabei herauskommt.
7. Es ist unklar, wie viele Agenturen insgesamt an der Ausschreibung teilnehmen. Derjenige, der weiß, wie viele Mitbewerber in den Ring steigen, kann besser Gewinnchancen und damit sein Teilnahmerisiko abschätzen. Es ist ein Zeichen von Fairness und Respekt, diese Information mit allen Bewerbern zu teilen.
8. Die Ausschreibungsbedingungen sind derart ausgestaltet, dass die von der Gewinneragentur zu erbringenden Leistungen eigentlich nur von der Bestandsagentur erbracht werden können. Dies legt die Vermutung nahe, dass es sich im Grunde um gar keine echte offene Ausschreibung handelt, sondern vielmehr um einen Fake-Pitch, bei dem sich bereits auf die Bestandsagentur als Gewinneragentur festgelegt wurde.
Foul Pitches sind eine schlechte Basis für die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen/Behörden und Agentur. Sie werden auch die kommunikative Ausbeute der jeweiligen Projekte schwächen. Gefordert ist eine sowohl kreative als auch unternehmerische Partnerschaft, die gemeinsam immer wieder neue Lösungen und mutige Konzepte für die Zukunft findet.
Ob dies in der täglichen Arbeit funktionieren wird, darüber gibt bereits die Art und Weise Auskunft, wie der Ausschreibungsprozess organisiert wird und welche Rolle der Agentur dabei zugedacht wird. Ist sie lediglich als Dienstleister statt als Partner vorgesehen, der nur ausführt, aber nicht mitreden soll, dann ist die Chance darauf äußerst gering.
Erregung öffentlichen Ärgernisses: Behörden & Co foulen häufiger bei Pitches
von Dr. Ben M. Irle, Chefredakteur Pitchblog
‚Das ist doch nur ein Online-Pranger für unseriöse Auftraggeber‘. Als wir im Mai 2014 den Pitchblog gestartet haben, war dieser Satz immer wieder Teil der Diskussion. Viele Agenturverantwortliche ebenso wie Medienexperten fürchteten bei Pitchblog ein reines Auftraggeber-Blaming ohne konstruktiven Beitrag zur Verbesserung.
Das Gegenteil ist der Fall. Von Anfang an war es das Ziel, einen wesentlichen Beitrag zu einer fairen und professionellen Pitch- bzw. Ausschreibungskultur in der gesamten Kommunikationsbranche zu leisten. Das bedeutet für uns auch, gegenseitiges Verständnis von Auftraggeber und Agentur zu schaffen. Auf bloßes Informieren und Mahnen wollen wir uns nicht reduzieren lassen. Wir verstehen uns vielmehr als Plattform für den zwingend notwendigen Dialog und zielführenden Austausch.
Wir haben in den letzten drei Jahren bereits viel erreicht und intensive Diskussionen in der Kommunikationsbranche angestoßen. Wie nötig dieser Schritt war – und immer noch ist – zeigen die vielen Pitch- und Ausschreibungsunterlagen, die uns in den vergangenen Jahren erreicht haben. Die Zahl der negativen Beispiele ist mit aktuell 51 Cases sehr viel höher als die der Best-Practice-Cases mit nur einem Beitrag. Einige wenige Good-Pitches wurden zusätzlich noch von Pitchblog-Lesern auf die Seite gestellt.
Auffällig ist, dass sich gerade die öffentliche Hand bei Ausschreibungen mit kritisch zu hinterfragenden Vorgaben hervortut. Rund 52 Prozent der uns gemeldeten Verfahren kamen von Ministerien, Behörden oder anderen staatlichen Institutionen bzw. staatlichen Unternehmen. Offensichtlich laufen hier Verfahren weniger ausgewogen ab.
Es geht um Phänomene, nicht um Einzelaktionen
Doch bei aller kritischen Betrachtung der jeweiligen Einzelfälle. Es geht um ein grundsätzliches Phänomen: Es wird allzu schnell vergessen, dass Pitches für die Dienstleister ein teures Unterfangen sind. Es ist in der Regel keine böse Absicht, die zu viel zu kurzen Timings, unerfüllbaren Anforderungen oder fehlendem Pitch-Honorar führt. Vielmehr sind es meist die mangelnde Kenntnis über den richtigen Umgang mit Agenturen und die bislang fehlende Wertschätzung ihrer Arbeitsleistung.
Die Bewertungen kreativer Aufgabenstellungen lassen sich eben nicht in das enge Korsett von Procurement-Abteilungen pressen, ebenso wenig wie kommunikative Anforderungsprofile nicht allein auf wirtschaftliche Bestellanforderungen reduziert werden können. Darin kommt ein Verständnis zum Ausdruck, das Agenturleistungen als austauschbare Standardware sieht. Man entscheidet sich im Zweifel immer für das günstigere Angebot, nicht für das beste Konzept. Die Folgen sind bekannt: Unzufriedenheit auf beiden Seiten.
Es fehlt der Mut zu mehr Professionalisierung
Bei Unternehmen und Behörden muss ein Prozess des Umdenkens stattfinden. Was es hier braucht, ist der Mut zu mehr Professionalisierung der Pitch- und Ausschreibungsprozesse auf der einen Seite. Schließlich entstehen auf beiden Seiten bei jedem Pitch erhebliche Kosten. Wettbewerbspräsentationen erfordern einen hohen Einsatz personeller und finanzieller Ressourcen auch bei den Unternehmen.
Gleichzeitig muss sich auch die Agenturseite ändern. Sie muss selbstbewusst auftreten und noch öfter die Teilnahme an intransparenten und unfairen Pitches und Ausschreibungen klar ablehnen. Ebenso wichtig ist es, diesen Schritt offen zu kommunizieren und Gründe für den Schritt zu benennen. Vielfach ist aber die Furcht, auf eine schwarze Liste bei potenziellen Kunden zu gelangen und nicht mehr an Pitches teilnehmen zu können zu groß. Der erweiterte Pitchblog fungiert hier als Interessensvertretung für Agenturen und Auftraggeber. Er eröffnet die realistische Chance, das aktuelle Missverhältnis zu beseitigen oder zumindest zu lindern.