von Ben Irle | Jan 21, 2016 | Foul Pitches
Die US-Amerikanische Botschaft Berlin vergab den Auftrag über Social Media Support Dienstleistungen für das Public Affairs Büro. Die Botschaft hat mit Social Media Aktivitäten bereits vor einigen Jahren begonnen und plant nun, den Dialog mit der deutschen Öffentlichkeit zu intensivieren. Gesucht wurde daher eine Agentur, die eine Social Media Strategie entwickelt und umsetzt.
Der Auftrag ist von ordentlichem Umfang. So sind unter anderem quartalsweise Social Media Kampagnen für fünf verschiedene Themenbereiche zu entwickeln. Neben Social Media Beiträgen (Texte, Bilder, Videos) erwartet der Kunde eine monatliche Erfolgsanalyse und die Überwachung von externen Blogs und Social Media Plattformen – allein für Letzteres ist ein Aufwand von zehn Stunden wöchentlich angesetzt. Jedes Angebot sollte zudem eine detaillierte Preisübersicht für die verschiedenen Projekte enthalten.
Die US-Amerikanische Botschaft Berlin hat nach eigenen Angaben acht gültige Angebote erhalten. Wie es in der schriftlichen Entscheidung an eine der teilnehmenden Agenturen heißt, wurde der Auftrag, „aufgrund des günstigeren Preises“ an die Gewinneragentur vergeben. Eine weitere Begründung erfolgte nicht. Merkwürdig, da war dochin den Vergabekriterien der Ausschreibung auch noch von anderen Parametern die Rede…
Gemäß Abschnitt 4 der Ausschreibungsunterlagen erhält der günstigste, geeignetste und kompetenteste/zuverlässigste Bewerber den Zuschlag („Award will be made to the lowest priced, acceptable, responsible offeror“).
Folglich sollten für die Vergabe des Auftrags neben dem Preis sowohl die Eignung als auch die Kompetenz des Bewerbers eine gleichwertige Rolle spielen. Scheint so, als hätte sich die US-Amerikanische Botschaft nicht an die selbst aufgestellten Vergabekriterien gehalten? Kompetenz und Eignung? Fehlanzeige. We’ll go for the discount! Also auch in diesem Fall gilt – wie so oft – das Prinzip: Hohe Anforderungen in der Ausschreibung formulieren, um Anbieter zur Teilnahme zu motivieren und dann entscheidet eben doch nur der Preis. Aus Sicht der teilnehmenden Agenturen ein no go! Bei korrekter Vergabeankündigung über den günstigsten Preis hätten sicherlich einige Anbieter auf eine Teilnahme an der Ausschreibung verzichtet. Da liegt die Vermutung nahe, dass man genau dies mit einer derartigen Vergabepraxis vermeiden wollte.
von Stefan Watzinger | Okt 28, 2015 | Foul Pitches
Wieso einfach, wenn´s auch kompliziert geht… So kürzlich geschehen beim Pitch der Wintershall Holding GmbH – einer Tochter der BASF. Über den Pitchberater Albrecht & Thron ging die Ausschreibung an PR-Agenturen. Aus den teils widersprüchlich formulierten Leistungsbeschreibungen wird nicht genau deutlich, was der Kunde sucht. Geht es um Strategieberatung oder Bodylease? Ist ein strategisches Kommunikationskonzept gefragt oder sucht Wintershall einen Redakteur, der die externen und internen Kommunikationskanäle redaktionell füttert bzw. Autoren brieft? Oder geht es gar um beides?
Die Leiterin der internen Unternehmenskommunikation gibt sich auf Nachfrage be-deckt. Ein Telefonat mit dem Pitchberater indes sorgt vermeintlich für Klarheit: die Agentur soll eine Kommunikationsstrategie entwickeln. Es wird also Beratung ge-sucht. So weit, so gut.
Während der Präsentation beim Kunden vor Ort sieht das dann allerdings ganz an-ders aus. Sehr schnell wird im Gespräch klar: das 30-seitige Strategiepapier der PR-Agentur war nicht von Nöten und schießt weit über das Ziel hinaus. Der Kunde kommuniziert plötzlich deutlich, dass zwei Kollegen aus der Kommunikationsabteilung ausgefallen sind, für die man nun schnell Ersatz suche. Bodylease also, nicht mehr und nicht weniger. Das hätte man auch ohne selbsternannten Pitchberater hinkriegen können. Humorvoll zeigt sich Wintershall dann bei der Rekrutierung der Ersatzmitarbeiter.
Vor Ort sollen die PR-Berater dann erst einmal ihr Können unter Beweis stellen. Ein Assessment Center wird durchgeführt, bei dem die Bewerber ihre Eignung für die anstehenden anspruchsvollen Aufgaben unter Beweis stellen müssen: so soll eine Email formuliert werden, in der ein imaginärer Autor über ein bevorstehendes Event gebrieft werden soll. Mit korrekter Angabe von Ort, Uhrzeit und Namen. Was wie ein schlechter Scherz klingt, ist leider bitterer Ernst.
von Ben Irle | Sep 18, 2015 | Foul Pitches
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) vergab im Wege eines offenen Verfahrens (Angebotsschluss am 17.09.2015) die Dienstleistungen Konzeption, Beratung, Realisierung, Hosting und Providing sowie technische und redaktionelle Betreuung ihres Internetangebotes, insbesondere in Bezug auf die zentrale Plattform www.baua.de, aber auch bezüglich Satellitenseiten sowie perspektivisch / optional Social Media-Kanäle und Apps.
Unter Berücksichtigung des Corporate Designs der BAuA sollen insbesondere das Gestaltungs- und Kommunikationskonzept sowie weitere Teilkonzepte entwickelt und umgesetzt werden. Dazu soll zu Leistungsbeginn die Internetseite www.baua.de (inklusive der englischen Sprachversion) vom Auftragnehmer auf ein neues Content Management System (CMS) migriert werden (derzeit GSB7 PreRelease). Als künftiges CMS wird der „Government Site Builder“ GSB7 präferiert. Der „Government Site Builder“ (GSB) ist im Rahmen der E-Government Initiative BundOnline 2005 als Basiskomponente-CMS für die Webauftritte der Bundesverwaltung entwickelt worden. Ziel war es, einen modularen Baukasten für die schnelle und unkomplizierte Erstellung von Internetauftritten zentral zu entwickeln, um aufwändige Eigenentwicklungen zu vermeiden, aber gleichzeitig individuelle Anpassungen jederzeit zu ermöglichen. Der Bieter kann aber auch ein alternatives CMS vorschlagen, dass den Anforderungen der Ausschreibung entspricht.
Soweit so gut. Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieser Ausschreibung ergeben sich jedoch, wenn man sich mit einer Vorabinformation des Beschaffungsamts des Bundesministeriums des Innern vom 24.02.2015 näher beschäftigt. Daraus ergibt sich, dass die Weiterentwicklung des GSB auf Basis CoreMedia Software durch die Weiterentwicklung des GSB auf Open Source Basis abgelöst werden soll. Die diesbezügliche Ausschreibung des Bundesverwaltungsamts soll noch im Jahr 2015 veröffentlicht werden. Anschlussausschreibungen für Aktivitäten zum GSB auf Basis CoreMedia Software sind nach aktuellem Stand nicht geplant, heißt es weiter in der vorgenannten Vorabinformation.
Es wird also einerseits im Laufe dieses Jahres durch das Bundesverwaltungsamt im Rahmen ihrer vorbezeichneten Ausschreibung bekannt gegeben werden, dass der GSB auf Basis CoreMedia Software ausläuft bzw. nicht weiterentwickelt werden wird und andererseits veröffentlicht die BAuA aktuell eine Ausschreibung mit eindeutiger Präferenz auf diesen GSB. Da es sich hierbei um ein System handelt, das abgeschafft werden wird und auf das andere Einrichtungen längst nicht mehr setzen, muss sich die BAuA die Frage stellen lassen, ob ihre Ausschreibung aktuell überhaupt noch Sinn macht und folglich im Interesse des Steuerzahlers sein kann.
von Ben Irle | Mai 27, 2015 | Foul Pitches
Mit einer Email vom 22. April 2015 forderten die Berliner Wasserbetriebe diverse Agenturen zur Abgabe eines Konzepts zur Weiterentwicklung der Informations- und Öffentlichkeitskampagne der Berliner Wasserbetriebe auf. Als Frist für die Abgabe des Angebots wurde der 13. Mai 2015 mitgeteilt.
Das einzureichende Konzept soll bereits umfangreich sein. So soll es die Entwicklung eines Kreativansatzes (kommunikatives Dach), die Entwicklung / Ausarbeitung eines überzeugenden Storytelling-Ansatzes, die Erstellung / Umsetzung eines Gesamtkonzepts für die Kampagne (inkl. einer groben Empfehlung für die Mediaplanung) sowie die Entwicklung und Umsetzungsplanung von Informations-, Aktivierungs- und Dialogmaßnahmen für definierte Zielgruppen mit konkreter Aussage enthalten. Ferner wird die Einreichung einer detaillierten Umsetzungs- und Budgetplanung sowie die Evaluation der Maßnahmen vorausgesetzt.
Das komplett ausgearbeitete Konzept wird bereits bei Angebotsabgabe am 13. Mai 2015 angefordert. Stellt man den erheblichen Konzeptionsaufwand dem mit 3 Wochen doch sehr kurz bemessenen Konzepterarbeitungszeitraum gegenüber, kommen Zweifel an einer fairen Ausschreibung auf. Ferner beträgt das Budget lediglich EUR 400.000,00 (inkl. Agentur- und Fremdleistungen). Berücksichtigt man den doch weitreichenden Leistungsumfang, so sei auch hier die Frage erlaubt, ob das vorgenannte Budget überhaupt zur Umsetzung des gewünschten Konzepts ausreichen kann. Abschließend bleibt zu beanstanden, dass trotz dieser umfangreichen Anforderungen und dem damit verbundenen zeitintensiven Aufwand kein Pitch-Honorar gezahlt wird.
Aus Agentursicht ist diese Ausschreibung ein Schlag ins Wasser.
von Ben Irle | Mai 22, 2015 | Foul Pitches
Die Kunst der Public Relations besteht darin, auch aus abwegigen Themen eine interessante, kreative Story zu entwickeln und der Öffentlichkeit zu vermitteln. Daher sollte man sich als Agentur besonders freuen, wenn der Auftraggeber besonderen Wert auf Kreativität legt.
Die Idee, Zombies in deutschen Städten über eine Strecke von fünf Kilometern über Hindernisse laufen zu lassen, das ist schon mal kreativ! Der abgefragte Leistungskatalog hat hingegen wenig mit kreativer PR-Arbeit zu tun.
Die Organisatoren von drei Zombie-Hindernislaufveranstaltungen in Deutschland haben ihre Pressemeldungen bislang selbst verfasst, an einen Presseverteiler geschickt und „nachgefasst“. Bislang jedoch leider ohne den erwünschten Erfolg. Durch die Zusammenarbeit mit einer Presse-Agentur erhofft man sich nun, dass „das Projekt in jeder Zeitung und Online-Magazin geführt wird“. Insofern wird jemand gesucht, „der die Kommunikation mit der Presse im Print und Online-Bereich bzgl. Bewerbung im Vor- und Nachfeld der Veranstaltungen übernimmt, betreut und pflegt“. „Weitere Vorschläge“ werden zudem gerne angehört. Wenn es doch nur immer so einfach wäre.
Zu Veranstaltungskonzept, Zielgruppe, Budgetrahmen finden sich keinerlei Informationen. Ein Angebot für eine erfolgreiche Pressebetreuung auf Grundlage der in der Email der Organisatoren mitgeteilten Informationen wird eine kreative Presse-Agentur aber schon hinkriegen, oder?
von Ben Irle | Mrz 13, 2015 | Foul Pitches
Die Landeshauptstadt München schrieb am 05.12.2014 einen Rahmenvertrag über die Erbringung grafischer Leistungen für die Münchener Philharmoniker mit einer Vertragslaufzeit vom 01.02.2015 bis 31.08.2018 aus. Ziel der Ausschreibung war die Weiterentwicklung des Corporate Designs der Münchner Philharmoniker sowie die Anwendung auf sämtliche Kommunikationsprodukte und Publikationen. Die vom Auftragnehmer erwartete Leistung umfasste insbesondere die Weiterentwicklung bzw. Neujustierung der Wort- und/oder Bildmarke, des Erscheinungsbildes „Münchner Philharmoniker“, die Gestaltung des „Jahresprogramms“ sowie einer Publikation zu einem Festival, die Weiterentwicklung der Marke „Spielfeld Klassik“, das Verfassen von redaktionellen Werbetexten, die Einbringung von Ideen und Konzepten sowie die begleitenden Umsetzungsunterstützung für eine Imagekampagne pro Spielzeit.
Ein potentiell schöner Auftrag, wäre da nicht der Haken, die ausgeschriebenen Leistungen eigentlich schon komplett als Teil des Angebots und damit unentgeltlich erbringen zu müssen. Zum einen wurde hier die Weiterführung des bestehenden Corporate Designs unter Verwendung der aktuellen Wortmarke „Die Münchner Philharmoniker – das Orchester der Stadt“, die Schaffung eines neuen Logos für die Marke „Die Münchner Philharmoniker – das Orchester der Stadt“, eine begründete Empfehlung über die zu wählende zukünftige Corporate Design Variante, die Schaffung eines Logos für ein Festival der Münchner Philharmoniker sowie die Weiterentwicklung des Logos und Erscheinungsbildes von „Spielfeld Klassik“ verlangt. Damit nicht genug, sollten die Bieter im Rahmen des Angebots außerdem die bevorzugte Corporate-Design-Variante beispielhaft für ausgewählte Werbemittel inszenieren. Und zwar anhand einer Coverseite für die Abobroschüre 2015/16, einer Coverseite für das Jahresprogramm 2015/16, einer Seite zur Kommunikation des Selbstverständnisses der Münchner Philharmoniker im Jahresprogramm 2015/16, einer Seite mit Beschreibung der Story-Line für das Jahresprogramm 2015/16, einer Coverseite für eine Publikation zu einem Festival, eines Imageplakats für die Münchner Philharmoniker, eines Konzertplakats für die Münchner Philharmoniker, eines Veranstaltungsplakats „Spielfeld Klassik“ sowie eines Imageplakats für Spielfeld Klassik. Das alles im Zuges des Angebotes und ohne Vergütung!
Die Landeshauptstadt München durfte sich also – ohne auch nur einen Cent auzugeben – über eine Vielzahl von Ideen zur Weiterentwicklung des Corporate Designs der Münchner Philharmoniker freuen, bevor der Zuschlag überhaupt erteilt wurde. Wenn er denn tatsächlich erteilt wurde. Denn für die bloße Umsetzung der eingereichten Ideen bedurfte es mit Sicherheit keiner Agentur mehr.